H. J. Döpp - Eros (HC)

Bilder der Liebe, der Lust und der Leidenschaft! Darstellungen der Lebensfreude und des sexuellen Genusses! Und doch eine provokante Kunst, die sich gerade dem Tabu verdankt, das auf ihr lastete. Ist es nicht ein Paradox, diese Werke heute in einer opulenten, wohlfeilen Ausgabe zu publizieren? Werden diese frechen Bilder dadurch nicht gerade ihres provokanten, normsprengenden Charakters beraubt, den sie Jahrhunderte über hatten? Sind sie überhaupt noch »verstehbar« ohne ihre gegen den Stachel der »offiziellen« Moral löckende Art? Was hat sich sexualmoralisch und sexualästhetisch geändert, dass heute öffentlich gezeigt werden darf, was über Jahrhunderte nur in den Schränken privater Sammler und in Polizeiarchiven aufbewahrt wurde? Denn all diese Bilder entstanden auf der Schattenseite der europäischen Zivilisationsgeschichte, abseits der offiziellen Kultur. Sie zeugen von der Existenz einer quasi unterirdischen Kulturgeschichte, die den Gegenpol abgab zum Prozess fortschreitender Rationalisierung. Kann es sein, dass sich allmählich eine Austreibung des Begehrens vollzog, mit der Folge, dass heute ohne Entrüstung gezeigt werden darf, was vor Jahrzehnten noch das Schamgefühl eines jeden verletzte?