Die Halligpastorin
Produktbeschreibung
"In diesem Buch erzähle ich Geschichten von meinem Leben auf der Hallig Hooge. Sie handeln von den Bewohnern, ihren und meinen Vorfahren. Seit Generationen leben sie hier und trotzen den Naturgewalten. Es sind Anekdoten von Menschen, die dickköpfig und trotzdem liebenswert, wettergegerbt und trotzdem sanft sind.
Die Geschichten sind geprägt von der Landschaft, dem Wetter und der Natur. Wenn die Sonne abgetaucht ist, fluten die Sterne den Himmel. Ich lege den Kopf in den Nacken und staune über ihre Vielfalt. Auf der Hallig gibt es keine Straßenbeleuchtung und keine flackernde Reklamelichter. Nichts kann die Leuchtkraft der Sterne schlucken.
Die Hallig wirkt klein, verloren und unscheinbar inmitten der Nordsee. Im Winter ist die Erde grau oder braun und nur selten weiß. Es scheint, als hätte ein Flugzeug Asche über uns gestreut. Hingegen explodieren im Sommer die Farben: Lila, Rot, Rosé, Gelb und sattes Grün. Rostrot kommt der Herbst daher.
Die Jahreszeiten in ihrem Farbenspiel zu durchleben erfüllt mich immer wieder. Ich kann mich nie sattsehen.
Die Luft ist würzig und salzig. Bei Ebbe streicht ein süßlich-herber Duft vom Seegras und Tang über das Land. Nach einem Sturm überzieht eine feine Salzschicht Fenster und Gartenmöbel. Wir riechen, schmecken und fühlen die Luft. Wenn Halligwermuth, Gras und Klee das Land in allen Grüntönen bedecken, duftet die Hallig, als hätte sie sich frisch gewaschen.
Die Luft ist angefüllt mit Vogelstimmen. Die Möwen keckern und lachen, die Gänse schreien, die Seeschwalben zetern, die Spatzen schimpfen und die Stockenten schnattern. All die Vogelstimmen werden vom Brausen und Singen des Windes begleitet und dem stetigen Rauschen des wogenden Wassers. Der Chor ist meisterhaft in seiner Intonation! Und trotz all dieser Geräusche übermannt mich die Stille, die mich immer wieder innehalten lässt!
Das Meer ist für uns nicht der weite Ozean, sondern das oft unbändige Wasser der Nordsee. Es umgibt uns und durchzieht in kleinen und großen Gräben, den Flieths, das Land. Das Kommen und Gehen des Wassers bestimmt das Leben und diesem Rhythmus unterwerfen sich die Bewohner seit der ersten Besiedlung. Gott muss eine unbändige Freude verspürt haben, diese Wunderwelt zu erschaffen. Anders kann ich mir die Schönheit nicht erklären.
Mich lehrt das Wasser auch Demut - jeden Tag aufs Neue. Ich bin mittendrin und fühle mich angesichts dieser Fülle ganz klein, obwohl ich mich doch groß fühlen möchte. Ich kann das Kleinsein ohne Zaudern annehmen, denn Gott hat mir Augen und Ohren für die Fülle des Lebens auf der Hallig geöffnet. Ich lebe in einem Paradies aus Himmel, Erde, Luft und Meer.
Je älter ich werde, umso häufiger denke ich über meine Träume und Vorstellungen nach, die ich als junge Frau hatte. Ich wollte reich und anerkannt werden, berühmt als Malerin und wenn das nicht klappt, dann wollte ich wenigstens eine gute Chirurgin werden. Ich wurde weder das eine noch das andere. Dafür wurde ich Arztfrau, vierfache Mutter, siebenfache Großmutter, Hauswirtschaftsleiterin, Arzthelferin und Röntgenassistentin. Ich war zuständig für das Personal und die Abrechnung in der orthopädischen Praxis meines Ehemannes. Ich wurde Lektorin, Prädikantin und letztendlich Pastorin.
Mit 61 Jahren beschloss ich, mein Leben noch einmal umzukrempeln, und zog auf die Hallig Hooge. Ich ging zurück an den Ort meiner Kindheit.
Ich konnte eintauchen in die Welt, die ich vor fast 50 Jahren verlassen hatte, als hätte es nie ein Dazwischen gegeben. Mich erfasste ein Staunen: Nirgendwo sind mir die Menschen so nah und wichtig wie hier. Nirgendwo ist das Feiern so ausgelassen und ansteckend wie hier. Nirgendwo ist der Himmel höher, das Wasser weiter, das Land grüner. Nirgendwo ist mir Gott so nah. Es ist, als wäre ich in einem Kloster unter freiem Himmel."
Gertrude von Holdt
Weitere beliebte Produkte
Bewertungen
Schreiben Sie als erster eine Rezension
Ihre Meinung interessiert uns – und hilft anderen Kunden bei der Auswahl.