Mythos Sport
Produktbeschreibung
Im zweiten Band seiner großangelegten Studie nimmt Franz Bockrath die Körperverhältnisse unter den Bedingungen der massenkulturellen Verwertung in den Blick (Teil IV). Er zeigt, wie im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Vorstellung vom Körper als »menschlicher Motor« (Rabinbach) an Bedeutung gewann. Die Physiologie als neue Leitwissenschaft beschäftigte sich mit den Kraft- und Enegieressourcen der lebendigen Materie. Neuartige Disziplinen wie die Psychophysik und die Hochleistungsmedizin waren bemüht, die physiologischen Grenzen des Organismus auszuweiten.Etwa zeitgleich erhöhte sich auch die gesellschaftliche Relevanz der »English sports«. Dem englischen Sport gelang es zur Zeit des europäischen Hochimperialismus, stabile Organisationsstrukturen aufzubauen und seine soziale Trägerschaft zu verbreitern. Die Regulierung und Ausweitung des wettkampfsportlichen Vergleichsrahmens ermöglichte es, konkrete Leistungen nunmehr auch orts- und zeitunabhängig aufeinander zu beziehen. Spitzenleistungen und Rekorde gehören seither zum harten Kern der Sportkultur. Der Begründer des modernen Olympismus, Pierre de Coubertin, etablierte eine neue Version der natürlichen Bestenauslese. Unterstützung fand er unter anderem im Darwinismus. Coubertins Ziel war es, ein »religiöses Empfinden« wachzurufen, um den diagnostizierten Krisenerscheinungen seiner Zeit ideologisch zu begegnen. Anhand zweier Fallstudien - den Olympischen Spielen 1936 in Berlin und 1972 in München - wird gezeigt, wie olympische Spiele aus dem profanen Alltagsbetrieb herausgehoben und in einen quasi-sakralen Raum überführt werden. Die Studie zeigt abschließend auf, wie mythische Heldenmotive derzeit eine Renaissance erfahren. Unter massenkulturellen Bedingungen wird die heroische Dialektik von Macht und Opfer freilich nicht dem blinden Schicksal überlassen, sondern minutiös geplant und aufwendig in Szene gesetzt. Als »geköpfte Übermenschen« (Sloterdijk) avancieren die Helden des Sports als restlos entzauberte.Wesen zum »Schmuck der industriellenMassenkultur« (Horkheimer/Adorno).
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